Rassismus und Ultra-Rassismus

Als rassisch unauffälliger Deutscher erlebe ich selber hier keinen Rassismus. Aber von Angehörigen und Freunden, die weniger unauffällig sind, zu hören, daß sie rassistische Anfeindungen und Pöbeleien erleben, selbst in katholischen Gebieten, ist schmerzlich.
Andererseits ist der politisch korrekte „Antirassismus“ enervierend, der sich nicht für Menschen, sondern für Sprachregelungen und Denkverbote einsetzt. Ein bestimmtes Wort dürfe nicht mehr genannt, auch in älterer Literatur nicht mehr gedruckt werden; daß Menschen unterschiedlicher Rasse sind, dürfe nicht mehr wahrgenommen werden (was Rassismus durch die Hintertür durchschimmern läßt), was zu wunderlichen sprachlichen Verrenkungen führt; Menschen anderer Rasse dürfen nicht einmal gefragt werden, woher sie kommen, das grenze sie aus – was in sich eine Diskriminierung darstellt, denn wenn man einen äußerlich unauffälligen Deutschen kennenlernt, wird man ihn selbstverständlich irgendwann fragen, woher er komme (selbstverständlich werde ich im Osten auf meine nicht vorhandene einheimische Mundart angesprochen).
Bemerkenswert ist, daß es manchmal dieselben sind, die zur Umschreibung „N-Wort“ greifen, weil dieses Wort rassistisch sei, und ungerührt von Menschen aus dem „subsaharanischen Afrika“ sprechen, als sei tatsächlich in der Welt Europa oben und Afrika („sub-“) unten, während in Wirklichkeit das nur für unsere Landkarten und Globen zutrifft.
Somit steht es an, zu erörtern, was Rassismus ist.

Rassismus

Als es noch keine staatliche Ordnung gab, mußten die Menschen immer mit Überfällen von Angehörigen anderer Gruppen rechnen. So wundert es nicht, daß alles, was fremd ist, zunächst einmal Unsicherheit, Besorgnis auslöst; besonders in beängstigenden Situationen wirken fremd erscheinende Menschen leicht bedrohlich.
Nun kann manches an der Erscheinung, der Montur, der Ausstaffierung von Menschen Zeichen der Gesinnung, der Haltung sein, wirkliche Gefahr anzeigen. Doch die Rasse sagt nichts dergleichen über den Menschen aus; insofern ist sie unerheblich. Menschen Eigenheiten, Neigungen oder Absichten zuzuschreiben aufgrund ihrer Rasse, eigene Unsicherheit auf sie zu projizieren ist töricht, sie deretwegen geringer zu schätzen ist ungerecht und unchristlich. Dies beides ist mit Fug und Recht als Rassismus zu bezeichnen.
Die Unsicherheit allem Fremden gegenüber ist allerdings menschlich, besonders, wenn ein Mensch sowieso schon in Sorge oder gar geängstigt ist. Bis in die sechziger Jahre aber spielte das hierzulande keine sonderliche Rolle, da man kaum jemandem begegnete, der nicht deutsch aussah.
Heute aber gibt es hier viele solche Menschen – darunter, was zusätzlich verwirrend erscheinen mag, auch solche, die kulturell wirkliche Deutsche sind –; das kann Unsicherheit erzeugen. Doch ist das für den, der nicht sowieso in Angst und Sorge ist, durch persönliche Begegnung und einfache Mitmenschlichkeit leicht zu überwinden. Die Erklärung des Paulus «da gibt es nicht Juden noch Griechen» (Gal. 3, 28) jedenfalls war für einen Juden jener Zeit eine viel größere Zumutung. Und im mittelalterlichen Epos war Wolfram von Eschenbachs Parzival zufolge Parzivals Halbbruder Feirefiz, Sohn einer „Mohrin“, den der Autor als gescheckt beschreibt, vollwertiges Mitglied der ritterlichen Gesellschaft.
Doch in der Neuzeit (nach Vorläufern in der Antike) kam, über jene schlichte Unsicherheit hinaus, theoretisch postulierter Rassismus auf. Warum in der Neuzeit, der Zeit der Aufklärung? Cui bono?
Was aber heute Rassismus genannt wird, geht oft über eigentlichen Rassismus hinaus. Ich nenne es:

Ultra-Rassismus

Ernst Haeckel, der Vorkämpfer der darwinschen Evolutionstheorie in Deutschland, erklärte noch 1908, es gebe nicht einfach nur unterschiedliche Rassen, sondern unterschiedliche «bonae species generis humani – gute Arten der menschlichen Gattung»; er zählte fünf solcher Arten auf, deren vier er in der heutigen Menschheit zu erkennen meinte.
Ernst Haeckel: Unsere Ahnenreihe (Progonotaxis Hominis). – Festschrift zur 350-jährigen Jubelfeier der Thüringer Universität Jena und der damit verbundenen Übergabe des Phyletischen Museums am 30. Juli 1908.
Doch das war noch nicht das Extrem: immerhin nimmt E. Haeckel für diese «Arten» einen gemeinsamen Ursprung an. Seit dem XVIII. Jahrhundert aber war der Polygenismus weit verbreitet, der den verschiedenen Rassen sogar einen unterschiedlichen Ursprung zuschreibt. So schrieb Voltaire: «Es scheint mir also, daß es gut genug begründet ist, daß ich glaube, dass es mit den Menschen wie mit den Bäume ist ... daß die bärtigen Weißen, die wollhaarigen Neger, die roßhaarigen Gelben und die Menschen ohne Bart nicht von demselben Menschen herkommen.»
Voltaire: Traité de métaphysique. 1734. Chapitre I. Des différentes espèces d’hommes. [espèces!]
Und: «Schließlich sehe ich Menschen, die mir höher zu stehen scheinen als diese Neger, wie diese Neger es [höherstehend] sind als die Affen und wie die Affen es sind als die Austern und als die anderen Tiere dieser Art.»
Voltaire: l.c. Chapitre V. Si l’homme a une âme, et ce que ce peut être.
Entsprechend schrieb Friedrich Engels über Karl Marx’ Schwiegersohn, Paul Lafargue, der einen schwarzafrikanischen Vorfahren hatte: «Da er in seiner Eigenschaft als Nigger dem übrigen Tierreich um einen Grad näher steht als wir anderen ...»
Friedrich Engels, Brief an Laura Lafargue [vom 26. April 1887], in: MEW 36, S. 645–647, hier: S. 645.
Robert Knox befand gar, die Menschenrassen wiesen seit Beginn der geschichtlichen Aufzeichnung unveränderte körperliche Unterschiede auf und – entgegen der offensichtlichen Wirklichkeit – seien miteinander unfruchtbar.
Robert Knox: The Races of Man. A Fragment. Philadelphia 1850
Der Polygenismus ist wissenschaftlich völlig unbegründet, heute längst abgelegt. Doch noch 1950 sah sich Papst Pius XII. veranlaßt, in seiner Enzyklika „Humani generis“ ihn ausdrücklich abzulehnen: «Cum vero de alia coniecturali opinione agitur, videlicet de polygenismo, quem vocant, tum Ecclesiae filii eiusmodi libertate minime fruuntur.»
Weshalb war eine so abwegige Lehre lange Zeit so verbreitet? Die englische Wikipedia (s.v. Polygenism; unter Berufung auf W. B. Cohen und J. D. Le Sueur) erklärt schlicht: «In Europa hatte im 19. Jahrhundert die allgemeine Öffentlichkeit den Polygenismus bevorzugt, weil viele glaubten, er widerspräche dem Bericht der Genesis und sei somit wissenschaftlicher als der religiöse Monogenismus.»
William B. Cohen, James D. Le Sueur: The French encounter with Africans: white response to Blacks, 1530-1880. 1980, S. 233
Bei Voltaire ist diese religionsfeindliche Stoßrichtung offensichtlich, denn einige Zeilen vor jenem Satz (chap. I) steht: «Ich begegne in Goa einer Art, die noch eigenartiger ist als diese alle: da ist ein Mann, bekleidet mit einer langen schwarzen Soutane [ein Priester also], der sagt, er sei dazu da, andere zu unterweisen. All diese verschiedenen Menschen, sagt er mir, die Sie sehen, sind alle von ein und demselben Vater geboren ... Aber das, was mir dieses Lebewesen sagt, erscheint mir sehr suspekt.»
Die Theorie von verschiedenen Arten und unterschiedlicher Abstammung der Menschen hatte eine schwerwiegende Implikation: sie bedeutete, daß nicht alle Menschen teilhaben am gleichen Wesen des Menschen. So konnte man den verschiedenen Rassen oder Arten unterschiedliche seelische Eigenschaften und unterschiedliche Begabungen zuschreiben.
So schrieb Immanuel Kant: «Der Neger kan disciplinirt und cultivirt, niemals aber ächt civilisirt werden. Er verfällt von selbst in die Wildheit.
Alle racen werden ausgerottet werden (Amerikaner und Neger können sich nicht selbst regieren. Dienen also nur zum Sclaven), nur nicht die Weißen.»
Immanuel Kant, AA XV : Handschriftlicher Nachlaß: Anthropologie. Entwürfe zu dem Colleg - über Anthropologie aus den 70er und 80er Jahren, S. 878 (L Bl. Ha 53. S. II: 4.)
Karl Marx schrieb: «Lafargue hat die üble Narbe von dem Negerstamm: kein Gefühl der Scham.» Und Friedrich Engels: «Ich kann mir nur denken, daß das 1/8 oder 1/16 Negerblut, das in Laf. ist und das von Zeit zu Zeit bei ihm die Oberhand bekommt, ihn zu dieser ganz unerklärlichen Tollheit verleitet hat.»
Karl Marx, Brief an Friedrich Engels [vom 11. November 1882], in: MEW 35, S. 109–110, hier: S. 109 (‚Negerstamm‘); Friedrich Engels, Brief an August Bebel vom 25.11.1891, in: MEW 38, S. 219–221, hier: S. 220 (‚Negerblut‘).
Hier zitiert nach: W. D. Hund l.c.
Noch in einem Buch aus der zweiten Hälfte des XX. Jahrhunderts habe ich wissenschaftliche Scheinergebnisse angeführt gefunden, die unterschiedliche Intelligenz der verschiedenen Rassen anzeigen. Scheinergebnisse – hier ist dargelegt, wieso diese Ergebnisse haltlos sind: • Kultur – Rasse – Intelligenzmessung •. Dort habe ich auch die kulturelle Kreativität der verschiedenen Rassen bewertet gefunden; ein angeführtes Kriterium war, ob deren Kulturen Ganzkörperbekleidung geschaffen haben – ein abwegiges Kriterium angesichts der Tatsache, daß etwa im mittel- und nordeuropäischen Raum Ganzkörperbekleidung sehr viel notwendiger ist als in innertropischen Breiten.
Nun ist Intelligenz, soweit zu sehen ist, durchaus von physischen Erbanlagen beeinflußt. So wäre es zwar denkbar, daß Menschen verschiedener Rassen von unterschiedlicher durchschnittlicher Intelligenz sind; doch wenn auch wissenschaftlich fundierten Aussagen darüber nicht möglich sind – angeborene Intelligenzanlage läßt sich nicht messen –, die Erfahrung im Umgang mit Menschen anderer Rasse läßt keine solchen Unterschiede erkennen.
Als einmal im frühen XVIII. Jahrhundert ein junger Schwarzafrikaner – Anton Wilhelm Amo – nach Deutschland gelangt war, brachte er es hier zum Hochschullehrer.
Ultra-Rassismus ist es also, verschiedene Rassen für verschiedene Arten auszugeben, explizit oder implizit, indem man ihnen unterschiedliche seelische Eigenschaften und Begabungen zuschreibt – insgesamt, nicht nur durchschnittlich. Das bahnt den Weg dazu, ihnen auch unterschiedlichen Wert beizumessen.

Cui bono?

Natürlich steckt hinter Ultra-Rassismus auch einfache Abneigung gegen Fremdes. Aber er hatte auch darüber hinaus eine Funktion: es ging um die Sklaverei. Sklavenhandel ist unchristlich, Sklavenhaltung ist unchristlich; Papst Johannes VIII. (Ep. Unum est ad principes Sardiniae, DS 668) hat 873 geboten, die Sklaven freizulassen, Päpste der Neuzeit von Paul III. (Breve Pastorale officium, 29.V.1537, DS 1495; Bulle Sublimis Deus, 2.VI.1537) bis zu Gregor XVI. (Const. In supremo apostolatus fastigio, 3.XII.1839, DS 2745 s.) haben die Versklavung von Menschen und den Sklavenhandel verdammt. Nichtsdestoweniger wurden, besonders seit dem XVI. Jahrhundert, Millionen von Schwarzafrikanern Opfer des europäisch-amerikanischen Sklavenhandels. Noch 1889 wurde im katholischen Brasilien Kaiser Pedro II. gestürzt, die Republik eingeführt, vor allem, weil durch die Monarchie im Jahr zuvor die Sklaverei abgeschafft worden war.
Schreibt man nun Menschen anderer Rassen, anderer vorgeblicher Arten ein anderes Wesen zu, geringeren Wert zu, so schafft das den Anschein einer Entschuldigung der Sklaverei («Dienen also nur zum Sclaven», so haben wir oben Kant zitiert) und der Zwangsarbeit in Kolonien. Und da deren Opfer vor allem Schwarzafrikaner waren, richtete sich und richtet sich bis heute solche Abwertung besonders gegen sie.
Letztlich gleicht eine solche Abwertung der Befürwortung von Abtreibung: im einen Fall wird Menschen einer anderen Rasse, im anderen ungeborenen Menschen der volle Wert eines Menschen abgesprochen.

Orietur Occidens